Jedes Jahr wieder

frage ich mich, warum man sich das antut. Nach einem Nachmittag in einer überfüllten Innenstadt. Gehetzte Menschen auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken, Weihnachtslieder überall, der Duft von Essen jeder Art, lange Schlangen an den Kassen. Vor und hinter den Ladentheken sind sie genervt. Konsummüll überall. Hauptsache es liegt genug unterm Tannenbaum, egal was, denn schliesslich ist Weihnachten. Und an der Größe und der Menge der Geschenke kann man erkennen wie gut oder schlecht ein Weihnachten war.
Von Jahr zu Jahr fält es mir schwerer das anzuschauen, ich mag mich nicht mehr beteiligen an diesem Konsumrausch, das was ich schenke soll von Herzen kommen und kein Zwang sein. Ich wünsche mir den Tag, wo andere DInge wichtiger sind, wo Geschenke anders ausfallen und ein Geschenk wieder ein Geschenk ist.
Sherry (Gast) - 13. Dez, 21:27

Manchmal mag ich diesen Rausch. Man merkt, dass die Leute es in Vorfreude machen. Man merkt aber auch, wie die Profitgeier eben dieses Ritual gänzlich instrumentalisieren. Die Überspitztheit, mit der sie das machen, ist irgendwie manchmal zum Erbrechen. Gestern habe ich ein Gedicht von "Rose Ausländer" entdeckt: "New Yorker Weihnacht". Es hört sich erst sehr schillernd an - aber man merkt sofort, dass da jemand den mutierten Charakter Weihnachtens und die Entfremdung dieses Festes festgehalten hat:


New Yorker Weihnachten

In erträumten Türmen
läuten Glocken Mirakel

Läden fiebern
aus Drehtüren rollen Lieder
in den Tumult

Tannen lächeln
elektrische Liebe

Taube weihnachtsweiß
deine Botschaft
in welchem Reich
freundlich aufgenommen
auf welcher Tanne wächst
dein Gefieder

Die verschollenen Könige
kommen heute nach New York
mit magischen Geschenken
Sie pilgern nach Harlem
zu den Spirituals
verbrüdern sich im Hafen
mit der Mannschaft gescheiterter Schiffe
verloben sich in der Bar
mit Branntweinbräuten

In imaginären Türmen
läuten Glocken Mirakel


(Rose Ausländer (1901-88)

Avalon71 - 14. Dez, 12:47

Danke...

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